Diebstahl und Betrug durch Angestellte

Die verdeckte Videoüberwachung von verdächtigen Arbeitnehmern am Arbeitsplatz

Von Rechtsanwalt Thilo Wagner

Mitarbeiter Videoüberwachung - Fotograf: Bardewyk

Mitarbeiter Videoüberwachung - Fotograf: Bardewyk

Betrug, Diebstahl und Unterschlagung: In Supermärkten, Lagerhallen und Büroräumen grassiert die Mitarbeiterkriminalität. Nach Schätzungen des Gesamtverbandes Deutscher Versicherungen (GDV) entstehen deutschen Unternehmen durch kriminelle Mitarbeiter jährlich Schäden in Höhe von rund 3 Milliarden Euro. Neben dem finanziellen Schaden ist oft auch ein schwerer Vertrauensbruch zwischen den Kollegen und gegenüber Vorgesetzten die Folge. Besonders problematisch ist die Tatsache, dass eine umfängliche Mitarbeiterüberwachung gerade in den sensiblen Arbeitbereichen mit Kassen- oder Warenzugriff technisch, zeitlich und personell kaum durchzuführen ist. Viele Langfingern sind sich solcher Sicherheitsmängel genau bewusst und erliegen der einfachen Versuchung eines schnelles Griffes in die Kasse.
Diese täglichen Gaunereien werden oft über einen langen Zeitraum überhaupt nicht bemerkt. Der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung zu Lasten des Arbeitgebers entsteht meist erst dann, wenn massive Kassen- oder Warenbestandsdifferenzen auffällig werden. In diesen Fällen ist es oft schwierig, den kriminellen Mitarbeiter zu überführen und sichere Beweise seiner Schuld zu sammeln.

Effektive Kontroll- und Steuerungssysteme und eine bedachte Schadensprävention sind in jedem Betrieb notwendig, um möglichen Schäden durch diebische Mitarbeiter gering zu halten. Als kostengünstige Möglichkeit der Sachverhaltsaufklärung bietet sich regelmäßig der Einsatz einer heimlichen Videoüberwachungsanlage an.
Die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen verdeckter Videoüberwachungen

Bei dem Einsatz verdeckter Videokameras sind strenge rechtliche Vorgaben zu beachten. Schließlich ist die heimliche Anfertigung der Videoaufnahmen ein schwerer Eingriff in das durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht des betroffenen Arbeitnehmers. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht soll den Arbeitnehmer gerade vor einer lückenlosen technischen Überwachung am Arbeitsplatz durch heimliche Videoaufnahmen schützen.

Im Falle einer heimlichen Videoüberwachung kollidiert das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers mit den wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers. Deshalb ist jeweils im Rahmen einer einzelfallbezogenen Güterabwägung zu ermitteln, ob das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers den Vorrang vor den Arbeitgeberinteressen verdient. Eine verdeckte Videoüberwachung kann dabei nur äußerst ausnahmsweise durch die Wahrnehmung überwiegender schutzwürdiger Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sein.

Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat die rechtlichen Voraussetzungen einer verdeckten Videoüberwachung am Arbeitsplatz näher bestimmt:

Nach der höchstrichterlichen Vorgabe ist die heimliche Videoüberwachung eines Arbeitnehmers nur dann zulässig, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht, alle weniger einschneidenden Mittel zur Aufklärung des Verdachts ausgeschöpft sind und die verdeckte Videoüberwachung praktisch das einzig verbleibende Mittel zur Sachverhaltsaufklärung darstellt und die Maßnahme zudem insgesamt nicht unverhältnismäßig ist. Diese einzelnen Voraussetzungen müssen in jedem konkreten Einzellfall genauestens arbeitsrechtlich geprüft und umgesetzt werden.

Ein arbeitsrechtlicher Fehler in diesem Bereich gefährdet eine erfolgreiche Videoüberwachungsmaßnahme und kann schon frühzeitig die nur aufgrund der vermeintlichen Beweismittel günstig scheinende Position des Arbeitgebers vernichten und dem Arbeitnehmer später sogar zu einem Sieg vor dem Arbeitsgericht verhelfen, weil die Videofilme gar nicht erst prozessual verwertet werden dürfen. Im schlimmsten Falle droht dem Arbeitgeber infolge einer unerlaubten Videoüberwachung eine eigene Strafverfolgung wegen eines Straftatbestandes der Verletzung des persönlichen Lebens- und Geheimbereiches. Zudem könnte der unzulässig gefilmte Arbeitnehmer den Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht auf die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes in Anspruch nehmen.

Vor Installation einer verdeckten Videoüberwachungsanlage ist somit unbedingt eine eingehende Prüfung der rechtlichen Zulässigkeit der geplanten Maßnahme durchzuführen.
Gestaltungsmöglichkeiten des Arbeitgebers: Schadensersatz und Kündigung

Im Falle einer zulässigen und erfolgreichen Videoüberwachung kann der Arbeitgeber den verdächtigen Arbeitnehmer unter Zuhilfenahme des gewonnenen Videomaterials überführen und diesen mit seiner Tat konfrontieren.

Regelmäßig wird der ertappte Arbeitnehmer verpflichtet werden können, dem Arbeitgeber die durch die Überwachungsmaßnahme entstandenen Kosten zurückzuerstatten. Denn die Aufwendungen für eine Videoüberwachung sind nach Maßgabe der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung durchaus mit den anerkannt erstattungsfähigen Detektivkosten vergleichbar.
Mehr zum Thema:Videoüberwachung   Arbeitsplatz   verdeckt

Problematischer ist meist die von dem Arbeitgeber erstrebte sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Regelmäßig kann ein Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist nur dann aus wichtigem Grund gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann dabei nicht nur eine erwiesene Vertragsverletzung, sondern auch schon der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen Verfehlung einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung gegenüber dem verdächtigten Arbeitnehmer darstellen. Dies gilt insbesondere bei Mitarbeitern mit Kassenbefugnis, zum Beispiel bei dringend vermuteten Diebstählen oder Unterschlagungen. Eine sogenannte Verdachtskündigung ist möglich, wenn und soweit der Arbeitgeber seine Kündigung damit begründet, gerade der Verdacht eines (nicht erwiesenen) strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört.

Bei einer Tatkündigung ist für den Kündigungsentschluss hingegen maßgebend, dass der Arbeitnehmer nach der Überzeugung des Arbeitgebers die strafbare Handlung bzw. Pflichtverletzung tatsächlich begangen hat und dem Arbeitgeber aus diesem Grund die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist.

Ob infolge einer konkreten Videoaufzeichnung eine Verdachts- oder gar eine Tatkündigung rechtlich zulässig und sinnvoll ist, sollte jeweils unmittelbar nach der Auswertung des gewonnenen Beweismaterials in Zusammenarbeit mit einem in diesem Bereich besonders erfahrenen Arbeitsrechtler entschieden und durchgeführt werden.

Im Einzelfall können im Rahmen dieser anwaltlichen Beratung auch alternative Beendigungsmöglichkeiten, wie eine Aufhebungsvereinbarung, geprüft und vorbereitet werden. Zusätzlich können polizeiliche oder staatsanwaltliche Maßnahmen im Betrieb vermieden und die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen eingeleitet werden.
Beispiele aus der täglichen Praxis

Der Einsatz einer verdeckten Videoüberwachungsanlage zur Mitarbeiterüberwachung hat sich gerade in den Fällen von Diebstählen und Betrügereien in Kassenbereichen, Verkaufsflächen und Lagerhallen bewährt. In den letzten Jahren hat sich die Qualität der Videoaufnahmen zudem ständig verbessert. Gestochen scharfe Farbaufnahmen sind heute technischer Standart. Gleichzeitig sind die Preise für die Videoobservationen deutlich gesunken. Insoweit sind Maßnahmen der Videoüberwachung nunmehr auch in kleinen Unternehmen und Ladengeschäften durchführbar und lohnenswert.

Als Beispiel aus unserer Beratungspraxis sei eine überführte Bäckereiverkäuferein in einer kleinen Bäckereifiliale genannt, welche täglich nur einige Euromünzen heimlich in Ihrer Kittelschürze verschwinden ließ, damit aber ihren Arbeitgeber über die Jahre gerechnet einen Schaden von mehreren Tausend Euro zufügte. Die Verkäuferin wurde durch eine kleine, verdeckt über der Kasse angebrachte Kamera überführt. Das Arbeitsverhältnis konnte aufgrund des guten Videomaterial im Rahmen eines durch den Anwalt geführten Mitarbeitergespräches problemlos beendet werden. Zusätzlich wurde ein Schadensersatz an den geschädigten Arbeitgeber gezahlt.

Bei der Überwachung einer Lagerhalle eines Zentrallagers für Supermärkte konnten gleich fünf Mitarbeiter überführt werden, welche Waren im großen Stil mitnahmen oder heimlich an tatbeteiligte Zulieferer herausgaben. Dieses Ergebnis schockierte den Arbeitgeber, da er ursprünglich nur einen Lagerarbeiter des Diebstahls verdächtigte.
Fazit und Vorgehensempfehlung

Aufgrund der strengen gesetzlichen Vorgaben ist nicht nur die tatsächliche Sachverhaltsaufklärung mittels heimlicher Videoüberwachung juristisch problematisch. Auch die anschließende Verwertung des gewonnenen Beweismaterials ist an eine Vielzahl von arbeitsrechtlichen Fallstricken geknüpft. Aus diesem Grund sollte jede verdeckte Videoüberwachung zuvor sorgfältig rechtskundig geprüft werden und nur nach Maßgabe eines verlässlichen anwaltlichen Rates gestaltet werden.

Arbeitgeber werden so vor nutzlosen und risikoreichen Maßnahmen und Aufwendungen gewarnt und können zudem schon frühzeitig die erforderlichen arbeitsrechtlichen Weichen stellen, und so eine konfliktlose und rechtssichere Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Bedacht vorbereiten.

Auch für Arbeitnehmer, welche Opfer einer unzulässigen Videoüberwachung geworden sind und schlimmstenfalls sogar eine Kündigung erhalten haben, lohnt sich die Einholung eines anwaltlichen Rates. Der erfahrene Rechtsanwalt wird den betroffenen Arbeitnehmer über mögliche Schadensersatzansprüche informieren und gegebenenfalls für seinen Mandanten einen erfolgreichen Kündigungsschutzprozess vor dem Arbeitsgericht führen. Der Autor ist Sozius der Rechtsanwaltskanzlei Wagner Halbe Rechtsanwälte in Köln und berät Arbeitgeber und Arbeitnehmer in allen Fällen des Arbeitsrechts.

Der Autor ist Rechtsanwalt in Köln. Er ist geschäftsführender Gesellschafter der Rechtsanwaltskanzlei WAGNER HALBE Rechtsanwälte in Köln.

WAGNER HALBE Rechtsanwälte – Köln
Rechtsanwalt Thilo Wagner
wagnerhalbe.de
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Quelle: http://www.123recht.net/